Landwirtschaft und Naturschutz gemeinsam voranbringen


Betriebsberaterin Dr. Claudia Kriegebaum erläutert den Teilnehmern die Anlage eines Blühstreifens
Bild: DBV
Hamburg/Berlin, 24.5.2019
F.R.A.N.Z. im Gespräch in Niederbayern
Mehr als vierzig Landwirte, Vertreter aus den Naturschutz- und Landwirtschaftsbehörden und -verbänden sowie aus dem Bayerischen Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten haben am 21. Mai 2019 die auf dem Niederbayerischen Demonstrationsbetrieb umgesetzten Naturschutzmaßnahmen besichtigt. Im Vordergrund standen die bisherigen Erkenntnisse und die gute Zusammenarbeit von Landwirtschaft und Naturschutz.

Welche praxistauglichen und wirtschaftlich tragfähigen Naturschutzmaßnahmen lassen sich gut in den Betriebsablauf integrieren? Antworten auf diese Frage liefert der Betrieb von Friedhelm Dickow im Landkreis Dingolfing-Landau in Niederbayern. Der rund 70 ha große Ackerbaubetrieb mit 120 Bullen sowie 1.600 Ferkeln ist einer von zehn Demonstrationsbetrieben aus dem F.R.A.N.Z.-Projekt. In Absprache mit dem Naturschutz und der naturschutzfachlichen Beratung setzt Dickow auf zehn Prozent seiner Betriebsfläche, insgesamt sieben Hektar, vielfältige Maßnahmen zur Erhaltung und Förderung der Biodiversität in der Agrarlandschaft um. Diese Maßnahmen stellte der passionierte Landwirt Dickow gemeinsam mit Dr. Claudia Kriegebaum von der Bayerischen KulturLandStiftung im Rahmen einer regionalen Fachveranstaltung auf seinem Betrieb vor.

Im Mittelpunkt der Maßnahmenpräsentation standen ein überjähriger Blühstreifen sowie Feldlerchenfenster als Landebahn für Feldvögel. Denn Brutplätze und Insektennahrung werden für Feldvögel wie die Feldlerche immer seltener. Die Bestände der Feldlerche sinken erheblich. So gibt es nur noch rund 1,3 bis zwei Millionen Brutpaare der Feldlerche in Deutschland, dem Vogel des Jahres 2019. Der Blühstreifen darf nicht gespritzt und nicht gedüngt werden. Auf dem niederbayerischen Betrieb hat sich gezeigt, dass niedrigwüchsige Blühstreifen in Kombination mit den 20 Quadratmeter großen Feldlerchenfenstern die Vermehrung der Feldlerche stark fördern. Insgesamt gibt es hier 15 Feldlerchenreviere und 8 Goldammerreviere im Jahr 2018. 

Eine weitere wichtige Naturschutzmaßnahme, die Landwirt Dickow auf seinem Betrieb angelegt hat, ist ein mehrjähriger Blühstreifen mit einer Breite von zwölf Metern, der größtenteils für die Biogasanlage Verwendung findet. Siebzig Prozent des bienenfreundlichen Blühstreifens werden ab dem 15. Juli abgemäht und  der Biogasanlage zugefügt. Die restlichen dreißig Prozent des Streifens bleiben über den Winter stehen und bieten durch den Verbleib der Vegetation geeignete Überwinterungsplätze für Insekten, wie z.B. Laufkäfer und Schwebfliegen. Durch die Mindestbreite von zwölf Metern sind Bodenbrüter wie das Rebhuhn vor Prädatoren geschützt.

Wildbienen, Schmetterlinge und andere Bestäuber profitieren von der langen Blütezeit der artenreichen Blühstreifen. Die Tagfalterarten haben sich auf den Blühstreifen im Vergleich der Jahre 2017 und 2018 auf 22 Arten verdoppelt. Zudem hat die Forschung insgesamt vierzig verschiedene Pflanzenarten gezählt.

Das blühende Vorgewende mit einer Saatgutmischung aus zwölf Kleearten ist eine auf dem Betrieb von Landwirt Dickow umgesetzte Naturschutzmaßnahme, die ertragsschwache Randbereiche aufwertet und letztendlich für die Biogasanlage verwendet wird. 28 verschiedene Pflanzenarten hat die Forschung bereits gezählt. Auch das Wintergetreide mit blühender Untersaat, eine weitere Maßnahme auf dem Betrieb Dickow, besteht aus einer Mischung mit zwölf Kleearten und wird ebenfalls der Biogasanlage zugefügt. Die Untersaat dient als Erosionsschutz. Insgesamt 23 Pflanzenarten werden aktuell durch diese Naturschutzmaßnahme gefördert.

Eine andere wichtige Naturschutzmaßnahme auf dem Betrieb Dickow ist die Bewirtschaftung von Extensivgrünland. Dabei erfolgen nicht mehr als ein bis zwei Schnitte pro Jahr, wobei das Mahdgut von der Fläche entfernt wird. Die reduzierte Schnitthäufigkeit und der Verzicht auf Düngung fördern krautige Pflanzenarten und damit eine höhere Vielfalt an Blütenpflanzen. Das langanhaltende Blütenangebot bietet eine wichtige Ressource für Bestäuber. Auch Wiesen- und Greifvögel finden auf diesen Flächen Nahrung und profitieren vom Verzicht auf Pflanzenschutzmittel. Die extensive Bewirtschaftung des Grünlands erfolgt über mehrere Jahre. Allerdings stellt der Umbruch des Bodens von Grünlandflächen nach fünf Jahren Landwirte und Naturschützer vor ein Dilemma: Landwirte werden gezwungen ökologisch wertvolle Grünlandflächen aufzugeben, um den Ackerstatus sicherzustellen. Denn wenn ein Acker fünf Jahre als Dauergrünland bewirtschaftet wird, darf die Wiese nicht mehr umgebrochen werden. Die Folge ist, dass artenreiche Wiesen und Weiden, die eine erhebliche Bedeutung für den Schutz der Artenvielfalt sowie für den Boden- und Gewässerschutz haben, zurückgehen. Auf der regionalen Fachveranstaltung in Niederbayern haben Landwirte und der Naturschutz deshalb eindringlich betont, dass sie diese Regelung für wenig sinnvoll erachten. Ordnungsrechtliche Regelungen, die Landwirte an der Umsetzung von Maßnahmen zum Schutz der Biodiversität hindern, müssen verstärkt an die Praxis angepasst werden.

Die ökonomische Komponente spielte in den Diskussionen unter den Teilnehmern eine ebenso wichtige Rolle wie der ökologische Mehrwert der Maßnahmen. Denn nur wenn die Naturschutzmaßnahmen auch wirtschaftlich tragfähig sind, werden Landwirte sie auch umsetzen, so der Tenor der Teilnehmer. Eine betriebswirtschaftliche Analyse und Berechnung der Maßnahmenkosten, wie sie im F.R.A.N.Z.-Projekt durchgeführt werden, sind somit unbedingt erforderlich.

Die positiven Praxisbeispiele zum Schutz der Artenvielfalt auf dem Betrieb von Landwirt Friedhelm Dickow zeigen, dass Landwirtschaft und Naturschutz nur gemeinsam im Dialog vorangebracht werden können. Eine enge Zusammenarbeit aller beteiligten Akteure aus Landwirtschaft, Wissenschaft und Politik ist deshalb notwendig, um die erfolgreich erprobten Naturschutzmaßnahmen zukünftig auch in entsprechenden Förderprogrammen zu verankern. Nur so kann gewährleistet werden, dass auch viele andere Landwirte die Naturschutzmaßnahmen auf ihren Betrieben umsetzen.